In guter Hoffnung hoffnungslos

Sie sind eigentlich selbst noch Kinder und sollen plötzlich für ein eigenes Baby sorgen.

Sie sind eigentlich selbst noch Kinder, haben kein Zuhause und nie viel familiäre Liebe erfahren. Und plötzlich sollen sie für ein Baby sorgen. Der Kampf ums Überleben treibt in Kolumbien unzählige Straßenmädchen in die Prostitution. Viele werden ungewollt schwanger und sind mit der Situation völlig überfordert. Bei den Don Bosco Schwestern finden Sie Unterstützung und eine Perspektive für die Zukunft. Eigentlich ist Alma noch ein Kind, ein zierliches Mädchen mit braunen Locken und großen, dunklen Augen. Doch in ein paar Wochen wird die 13-Jährige selbst Mutter sein. Alma ist eine von vielen Kindermüttern in den Elendsvierteln kolumbianischer Großstädte. Ihre Geschichte ist traurig, aber in ihrem Heimatland kein Einzelfall. Schätzungsweise vier Millionen Kinder in Kolumbien leben in Armut und Hoffnungslosigkeit, erleiden Vernachlässigung, Gewalt und Missbrauch. Viele von ihnen laufen deshalb von zu Hause weg und landen auf der Straße. Doch auch dort ist das Leben hart. Gewalt und Drogen beherrschen den Alltag der Straßenkinder. Sie sind gezwungen, zu betteln, zu stehlen oder sich zu prostituieren, um überleben zu können.

Für Alma war die Situation zu Hause unerträglich: Ihre Mutter arbeitet als Prostituierte, ihr leiblicher Vater sitzt wegen Drogenhandels im Gefängnis. Der neue Freund der Mutter ist alkoholabhängig. Im Rausch wurde er oft gewalttätig, ließ Frust und Ärger auch an Alma aus. „Ich wurde von meinem Stiefvater ständig verprügelt. Irgendwann bin ich dann weggelaufen", erzählt die 13-Jährige. Auf der Straße fühlte sich Alma anfangs völlig verlassen, einsam und orientierungslos. Es fehlte ihr am Allernötigsten. Sie schämte sich zutiefst dafür, betteln zu gehen, doch es blieb ihr keine andere Möglichkeit, wenn sie nicht verhungern wollte. Und wie viele andere Straßenmädchen verkaufte sie ihren Körper, um wenigstens ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Jetzt ist sie im sechsten Monat schwanger, und das macht das Leben auf der Straße noch schwerer: „Hier bin ich alleine auf mich gestellt und habe ständig Angst, dass mir und meinem Baby etwas passiert", erzählt Alma. Ein Leben auf der Straße bedeutet, dauernd in Gefahr zu sein. Angst ist ein ständiger Begleiter für die Straßenkinder. Gerade nachts ist die Situation am gefährlichsten, wenn Guerilleros, Todesschwadronen oder andere Kriminelle auf sie Jagd machen und versuchen, sie zu töten. „Viele nehmen Drogen, um die Angst loszuwerden", sagt Alma. „Sie schnüffeln Klebstoff oder rauchen Marihuana. Ich habe nie etwas genommen, ich bin stark geblieben. Außerdem habe ich Freunde gefunden. Wir sind wie eine Familie und passen gegenseitig auf uns auf."Geschichten wie die von Alma gehören für Schwester Sara Cecilia Sierra Jaramillo zum Alltag. Die kolumbianische Don Bosco Schwester war fünf Jahre in einem Elendsviertel der Millionenstadt Medellín tätig. Dort hat sie die Not der Menschen kennengelernt - vor allem die der Straßenkinder. Die Arbeit mit ihnen ist ihr seitdem besonders wichtig. Deshalb ist sie heute Rektorin der Escuela Normal Superior in Copacabana, einer Gemeinde der Metropolregion Medellín, die in Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Heidelberg das Projekt „Patio 13 - Schule für Straßenkinder" gestartet hat.
Schwester Sara leitet in diesem Rahmen das „Projekt Kindermütter": Sie, ihre Mitschwestern und Studentinnen der Escuela Normal Superior gehen direkt auf die Straßen, besuchen die schwangeren Mädchen, die dort leben, und helfen ihnen, mit ihrer Schwangerschaft und ihren Babys zurechtzukommen. Denn Mädchen wie Alma, die selbst noch Kinder sind und nie viel familiäre Liebe erfahren haben, sind mit Schwangerschaft, Geburt und der Pflege eines Kleinkindes meist völlig überfordert. Und medizinische Versorgung oder einen Geburtsvorbereitungskurs können sie sich nicht leisten. Ihre einzige Hilfe sind Schwester Sara und ihre Mitarbeiterinnen. Wenn sie zu Besuch kommen, geht es um ganz grundlegende Fragen: Wie soll man sich während der Schwangerschaft ernähren? Welche Auswirkungen haben Drogen auf das ungeborene Kind? Und welche Pflege braucht ein Baby? Für die Kindermütter und ihre Babys ist die Hilfe von „Patio 13" überlebenswichtig - und nicht nur das. Dieses Projekt bietet den schwangeren Mädchen eine Zukunftsperspektive. Sie fühlen sich angenommen, so wie sie sind - und das oft zum ersten Mal in ihrem Leben. Durch die Unterstützung der Don Bosco Schwestern hat auch Alma zum ersten Mal die Chance, ein selbstbestimmtes, gesundes und unabhängiges Leben zu führen. „Endlich habe ich Menschen gefunden, mit denen ich meine Sorgen und Ängste besprechen kann. Ich habe schon so viel über meine Schwangerschaft und über mein Baby gelernt. Ich fühle mich sicher und geborgen bei den Schwestern", meint Alma und streicht, zum ersten Mal lächelnd, über ihren Bauch. So hat sie, die „guter Hoffnung ist", neue Hoffnung geschöpft.

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